05/22/2023

ODDO BHF Asset Management

Aktien- oder Anleihenmärkte - wer hat recht?

Die Erwartungen der Aktien- und Anleihemärkte gehen stark auseinander. Für Laurent Denize, Co-CIO von ODDO BHF, ist es zu früh, sich von der Phase der Instabilität zu verabschieden.

Ein Markt, zwei Lesarten
Die Stabilisierung des US-Bankensystems hat die Anleger im vergangenen Monat etwas aufatmen lassen. Noch aber wäre es verfrüht darauf zu hoffen, die Phase finanzieller Instabilität läge schon hinter uns. Auch wenn die Krise noch  keinen nachhaltigen Volatilitätsschub ausgelöst hat (ganz im Gegenteil), spiegeln die zuletzt gesunkenen langfristigen Zinsen doch Besorgnis wider.
Interessant zu beobachten ist in diesem Zusammenhang, wie stark die Erwartungen von Aktien- bzw. Anleihemärkten  auseinander gehen.
Die Aktienmärkte freuen sich über die punktuelle Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen und die Fähigkeit der Unternehmen, sehr hohe Gewinnmargen aufrechtzuerhalten.
1.Weltweit präsentiert sich der Konjunkturtrend ermutigender, etwa mit einem Anstieg des globalen Composite-Einkaufsmanagerindex. Der Dienstleistungssektor zeigt sich weiter robust. Auch der Arbeitsmarkt hält sich gut und die Löhne bleiben hoch. Und auch wenn sich die Finanzierungsbedingungen verschärft haben, profitieren sie immer noch von einem positiven Trend bei den Sparüberschüssen.
2.In der Haltung der Zentralbanken bewegt sich was. So erwägt etwa die Fed angesichts der Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Belastungen im Bankensektor und der bereits erfolgten deutlichen Straffung eine Pause bei den Zinserhöhungen. Bei der EZB ist dies weniger der Fall.
3.Die Quartalsgewinne der Unternehmen dürften Rekordhöhen erreichen. Bei 60 % der Unternehmen, die ihre Bücher bereits geöffnet haben, ist das Gewinnwachstum so hoch wie seit über 15 Jahren nicht mehr.
4.Niedrigere Ölpreise und ein schwächerer US-Dollar wirken sich positiv auf die Gewinne der meisten europäischen Unternehmen aus.
An den Anleihenmärkten scheint man diese Begeisterung nicht zu teilen.
1.Der wirtschaftliche Aufschwung ist auf bestimmte Sektoren beschränkt. Der Arbeitsmarkt dürfte bald an Dynamik verlieren. Gleichzeitig steigen die Lebenshaltungskosten weiter. Damit sinken die Realeinkommen. Die Zinserhöhungen beginnen zu wirken, wie die Turbulenzen bei den US-Regionalbanken gezeigt haben. Der grundlegende Trend ist negativ, und das BIP-Wachstum dürfte in der zweiten Jahreshälfte sowohl in den Industrieländern als auch in den Schwellenländern sehr schwach ausfallen.
2.Der Konsens geht nach wie vor von zwei Zinssenkungen im Jahr 2023 aus, was bedeuten würde, dass die Fed das Handtuch wirft, da eine weiche Landung immer unwahrscheinlicher wird.
3.Eine kurzfristige Einigung über die Anhebung der US-Schuldengrenze ist angesichts der tiefen Kluft zwischen den beiden Parteien unwahrscheinlich, was angesichts des Zeitdrucks (eine Lösung muss bis Anfang Juni gefunden werden) eine Belastung darstellt.
4.Die Verschärfung der Kreditbedingungen wird in den kommenden Jahren zu einem starken Anstieg der Ausfallraten führen und die Aussichten für den Immobiliensektor trüben.
Auf welche Seite schlagen wir uns?
Wir schließen uns dem zweiten Lager an, den Anleihenmärkten. Sicherlich ist es bemerkenswert, wie gut sich die Unternehmen im aktuellen Umfeld behaupten. Die Gewinne liegen 13 % über den Konsenserwartungen. Dies dürfte aber der Schlussakt sein. Die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen und der Abbau der Sparüberschüsse sind – so unsere Einschätzung – die Auslöser für eine Trendwende bei den Margen, und das zu einer Zeit, wo die Bewertungen insgesamt hoch bleiben. Betrachtet man die Entwicklung der Indizes, zeigt sich eine beachtliche Streuung. So sind 30% der Performance allein den Tech-Riesen (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) zuzurechnen.  Die übrigen 495 Aktien im S&P-Index haben sich hingegen kaum bewegt (+3 %). In Europa zeigt sich ein ähnliches Bild. Allerdings führten hier nicht Technologietitel, sondern Werte aus dem Luxusgütersektor das Feld an. Ein Großteil der Performance ist auf eine Ausweitung der Bewertungsmultiplikatoren zurückzuführen, die vor allem mit dem jüngsten Rückgang der langfristigen Zinsen zusammenhängt. Die langfristigen Zinsen können jedoch nur dann weiter sinken, wenn sich die Wirtschaftslage deutlich verschlechtert und die Zentralbanken zu Zinssenkungen gezwungen sind. Sollte dies der Fall sein, würde der makroökonomische Abschwung natürlich auch die derzeit auf einem historischen Höchststand liegenden Margen belasten. Zukünftige Cashflows dürften sinken, und zwar in einem Maße, das den positiven Effekt, den der Zinsrückgang auf die Diskontierung ebendieser Cashflows hat, mehr als absorbieren würde.
Wie sich positionieren?
Wir bleiben über alle Regionen hinweg bei unserer leicht verhaltenen Sicht auf globale Aktien. Gleichwohl scheint angesichts der zuletzt zu beobachtenden punktuellen Verbesserungen ein plötzlicher Konjunktureinbruch unwahrscheinlich. Wir sehen also keinen Grund zur Panik.
Anlegern eröffnen sich damit zwei Möglichkeiten:
Option 1: Einen Teil des Aktienportfolios verkaufen und im Gegenzug in kurzlaufende Hochzinsanleihen investieren. Hier bieten sich Renditen von 5,3 % bei ausgezeichnetem Risiko-Ertrags-Verhältnis. Erst bei einer Spread-Ausweitung um mehr als 450 Basispunkte würden Anleger über einen 1-Jahres-Horizont Kapital verlieren – ein Szenario, das aber eher bei einer schweren Rezession als bei einem Abschwung eintreten dürfte.
Option 2: Das Aktienportfolio teilweise über den Kauf von Put-Optionen absichern, um gegen eine angemessene Prämie vom jüngsten Rückgang der Volatilität zu profitieren. In Europa kostet die Absicherung von 25% eines Portfolios (bis Ende August 2023) mit einem 5 % aus dem Geld liegenden Put 0,50 % – ein gutes Geschäft, wenn man bedenkt, dass der Aktienmarkt seit Anfang des Jahres um fast 15 % gestiegen ist.
Fazit
Als Fazit lässt sich festhalten, dass wir an unserer defensiven Ausrichtung des letzten Monats festhalten, Wachstumswerten den Vorzug geben und uns am kurzen Ende der Anleihekurve positionieren.  In den jüngsten Turbulenzen im Bankensektor sehen wir lediglich ein weiteres Signal für eine bevorstehende Konjunkturabschwächung.

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Wir halten an unserer defensiven Ausrichtung fest, geben Wachstumswerten den Vorzug und positionieren uns am kurzen Ende der Anleihekurve.

Laurent Denize, Global Co-CIO ODDO BHF

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