08.11.2022

Fidelity International

Das Net-Zero-Dilemma des Rohstoffabbaus

Wie Bergbauunternehmen die sozialen, politischen und ökologischen Risiken ihrer Tätigkeiten handhaben, wird entscheidend für die Netto-Null-Umstellung sein.

Über den jüngst gemeldeten 5-Milliarden-Dollar-Deal von Tesla, Nickel aus Indonesien zu kaufen, sind nur wenige Details bekannt. Aber das Zustandekommen eines solchen Geschäfts sagt uns bereits Wichtiges.
Neben einer Reihe von Umweltproblemen verursacht die indonesische Nickelproduktion fast dreimal so viel Kohlendioxid pro Tonne wie der weltweite Durchschnitt. Wahrscheinlich hat Tesla das kohlenstoffärmere Nickel des Landes gekauft, aber der ökologische Fussabdruck bleibt – für ein Unternehmen, das sich seiner Umweltfreundlichkeit rühmt – beträchtlich. Als Hersteller von Elektrofahrzeugen muss Tesla jedoch auch eine langfristige Versorgung des begrenzten Metalls für seine Batterien sicherstellen.
Die Nachfrage nach Materialien wie Nickel, Lithium und Kobalt wird in den nächsten 30 Jahren mit der Umstellung auf Elektrizität und erneuerbare Energien sprunghaft ansteigen. Im Falle von Nickel wird ein Grossteil der zusätzlichen Mengen aus Indonesien kommen.
Das Dilemma von Tesla ist das Dilemma der ganzen Welt. Da der Übergang die Versorgung mit kritischen Rohstoffen unter Druck setzt, wird der Betrieb und die Expansion der Bergbauindustrie immer komplexer. Die nahen Gemeinden sind zunehmend besorgt über die sozialen und ökologischen Kosten.
Als Investoren müssen wir erkennen, dass die Bergbaufirmen mit den besten Nachhaltigkeitsbilanzen die Nachfrage nicht decken werden können. Wir müssen auch in Unternehmen investieren, die zu Verbesserungen motiviert werden können. Gelingt es diesen nicht, das Vertrauen der lokalen Gemeinschaften und Interessengruppen zu gewinnen, besteht für alle - von Elektroautoherstellern bis hin zu lokalen Stromversorgern - die Gefahr, dass ihnen die Metalle ausgehen.

Wessen Hinterhof?
Der lokale Widerstand gegen neue Minen ist jedoch eine zunehmende Herausforderung. Ein Beispiel ist der jüngste Versuch von Rio Tinto, eine Lithiummine im serbischen Jadar-Tal zu errichten, einem Gebiet von grossem landwirtschaftlichen und archäologischen Wert. Das Projekt wurde zwar von der Zentralregierung unterstützt, sah sich aber starken Protesten von Nichtregierungsorganisationen und Teilen der lokalen Bevölkerung konfrontiert. Diese fürchteten Umweltverschmutzung und eine mögliche Umsiedlung der Einwohner. Die serbische Regierung entzog in der Folge Rio im Januar 2022 die Genehmigung. Jadar ist kein Einzelfall. Auch in den USA wurden seit 2019 grosse Kupferprojekte in Arizona, Alaska und Minnesota durch rechtliche Anfechtungen gestoppt.
Die blosse Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen reicht für die Durchführung eines Projekts nicht mehr aus. Um ihre soziale Betriebslizenz zu behalten, müssen Bergbauunternehmen vielmehr höhere Standards einhalten und das Vertrauen der Gemeinden gewinnen.
Neue Vorkommen in geografisch schwierigen Gebieten
Die andere Herausforderung ist natürlich die Umwelt. Indonesien dürfte in den kommenden Jahren den grössten Teil des neu auf den Markt gebrachten Nickels liefern.

Das Land ist jedoch für seine Stromerzeugung grösstenteils immer noch auf Wärmekohle angewiesen. Der Bergbau hat auch Auswirkungen auf die Entwaldung und die Biodiversität. Aktive Investoren stehen bereits mit einigen der beteiligten Unternehmen in Kontakt und stellen Verbesserungen bei der Offenlegung und den Praktiken fest. Diese Aufgabe ist aber noch lange nicht abgeschlossen und für die Kapitalverwalter stehen schwierige Entscheidungen an.
Die Macht der Zusammenarbeit
Bei neuen Minen können sich Investoren für öffentliche und unternehmenspolitische Massnahmen einsetzen, die den wirtschaftlichen Nutzen und die Dekarbonisierung mit den Auswirkungen auf eine breite Stakeholdergruppe in Einklang bringen. Möglicherweise müssen sie sich auch für staatliche Unterstützung in finanzieller oder rechtlicher Hinsicht einsetzen, da kurzfristig nicht alle Aspekte der Dekarbonisierung wirtschaftlich sinnvoll sind. In einigen der schwierigeren Bereiche ist es gar schwer vorstellbar, ohne einen globalen Kohlenstoffpreis ans Ziel zu kommen.
Um das Image des Bergbaus zu verbessern, sind möglicherweise auch unübliche Vorgehensweisen erforderlich. Grosse Bergbauunternehmen mit bewährten Verfahren könnten davon profitieren, kleinere Konkurrenten mit ihrem Know-how zu unterstützen. Denn ein Umwelt- oder Sicherheitsskandal bei einem Bergbauunternehmen betrifft letztlich alle Unternehmen. Entscheidend ist hier nicht nur die soziale Lizenz der Bergbauunternehmen, innerhalb einer bestimmten Gemeinschaft zu arbeiten, sondern auch die Lizenz der Industrie, weltweit zu arbeiten. Ohne diese wird die Welt ihre Netto-Null-Ziele nicht erreichen.
Autoren: Daniela Jaramillo, James Richards, Sam Heithersay, Patrick Graham

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